Weisungen
Was tun, wenn der Arbeitgeber Weisungen erteilt? Rechte der Arbeitnehmer und des Betriebsrats
Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Weisungsbefugnis (des Direktionsrechts) des Arbeitgebers ist, ob die Anweisung der Billigkeit entspricht (Der Arbeitgeber muss die Interessen des Arbeitnehmers im Rahmen des Möglichen berücksichtigen). Dies ist nur dann der Fall, wenn der Arbeitgeber sich bei seiner Anordnung nicht von unsachlichen Motiven leiten lässt, auf die Möglichkeiten des Arbeitnehmers und dessen bisherige Tätigkeit Rücksicht nimmt und er die Maßnahme wählt, die den Arbeitnehmer am wenigsten belastet.
Hier einige Beispiele:
- Der VAD (Aussendienstler/ Inspektor) ruft morgens an, wenn er damit rechnen muss, dass der Zusteller noch schläft (er kennt ja seine Arbeitszeit). Hinzu kommt, dass nach dem Arbeitszeitgesetz eine elfstündige Ruhezeit zwischen Ende und Beginn der Arbeit zu berücksichtigen ist. Also darf ein Anruf erst in den Nachmittagsstunden erfolgen. Es ist auch die Frage aufzuwerfen, ob alle Anrufe überhaupt erforderlich sind. Schließlich gibt es die Möglichkeit der schriftlichen Benachrichtigung über die Pakete. Außerdem muss der Zusteller Gelegenheit erhalten, sich mit dem Sachverhalt auseinander zu setzen und seine Antwort demgemäß abzuwägen.
- Der VAD begehrt Einlass in die Wohnung. Dies geht nur mit Zustimmung des Zustellers, denn die Wohnung ist kein Arbeitsraum; außerdem ist die Wohnung nach dem Grundgesetz unverletzlich.
- Der Zusteller darf grundsätzlich auch nicht gegen seinen Willen in die Geschäftsstelle zitiert werden, denn seine Arbeitszeit ist mit dem Ende der Zustelltätigkeit beendet. Außer der aufgewendeten Zeit würden ggf. auch noch Fahrtkosten anfallen, die grundsätzlich nicht zuzumuten sind.
- Auch aus Gründen der Vertragsfreiheit kann der Zusteller nicht zitiert werden. Hierunter versteht man die Freiheit des Einzelnen, seine privaten Lebensverhältnisse durch Beträge zu gestalten. Die Vertragsfreiheit ist verfassungsrechtlich gewährleistet (Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz). Zur Vertragsfreicheit gehört auch, ob der Zusteller in diesem Zusammenhang Vereinbarungen, Veränderungen oder Aufhebungen zum Arbeitsvertrag vornehmen will. Dazu gehört auch, ob er hierüber Gespräche führen will. Gegebenenfalls muss sich der Zusteller erkundigen, weshalb bzw. wozu ein Gespräch mit dem Vorgesetzten oder der Geschäftsführung geführt werden soll.
- Lässt sich der Zusteller freiwillig auf ein Gespräch mit dem Arbeitgeber ein, so kann er verlangen, dass ein Betriebsratsmitglied seines Vertrauens zu dem Gespräch hinzugezogen wird. Ist das gewählte Betriebsratsmitglied nicht sofort greifbar, so muss der Termin entprechend verschoben werden.
Im Betriebsverfassungsgesetz ist der Grundsatz von Recht und Billigkeit begründet (§ 75 BetrVG). In Absatz 2 heißt es, dass Arbeitgeber und Betriebsrat die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern haben, also
- Insbesondere die Selbständigkeit und Eigeninitiative der ZustellerIn zu fördern
- und damit einen Beitrag zu mehr Demokratie im Betrieb zu leisten.
Wenn ein Zusteller sich ungerecht behandelt fühlt, wenn also gegen die oben dargestellten Bestimmungen verstoßen wird, kann er sich beim Arbeitgeber oder dem Betriebsrat beschweren. Die Beschwerde beim Betriebsrat hat den Vorteil, dass sich die Betriebsratsmitglieder als Arbeitnehmerkollegen um die Interessen des Zustellers kümmern. Außerdem hat der Betriebsrat die Möglichkeit, bei Uneinsichtigkeit des Arbeitgebers die Einigungsstelle als Schlichtungsstelle in Anspruch zu nehmen.
In Betrieben ohne Betriebsrat gilt zwar auch der § 75 BetrVG, aber es gibt keine Instanz, die die Einhaltung kontrolliert. Nur der Betriebsrat hat u. a. die allgemeinen Aufgaben, darauf zu achten, dass Gesetze, Betriebsvereinbarungen und Unfallverhütungsvorschriften nicht nur eingehalten, sondern auch durchgeführt werden.
Also: Unbedingt einen Betriebsrat wählen! Wie das geht? Dafür sind Gewerkschaften da, in diesem Falle die Gewerkschaft ver.di. Andere Betriebsräte in Zustellgesellschaften können hier sicherlich behilflich sein.
Wichtig ist, dass der Zusteller etwas unternimmt. Werden Gesetze nicht eingehalten, muss er gegenüber dem Arbeitgeber auf die Einhaltung seiner Rechte hinweisen. Ansonsten verschlechtern sich in aller Regel seine Arbeitsbedingungen, so nach dem Motto: "Wo kein Kläger ist, ist kein Richter".
Der Zusteller muss also etwas tun. Der erste Schritt ist die Information. Aus diesem Grunde habe ich diese Gedanken niedergeschrieben.
Diese Gedanken sind sicher nicht vollständig. Darum sagt bzw. schreibt Eure Meinung dazu. Das wird in jedem Falle zu einer umfassenderen Information führen, aber auch einen Austausch über die unterschiedlichen Erfahrungen der Zustellerinnen und Zusteller ermöglichen.
Gregor Bodenbenner
(November 2007)