Mindestlohn

    Unlautere Tricks

    Unlautere Tricks

    Verlage versuchen, den Mindestlohn für Zeitungszusteller auszuhebeln
    Für manche Zeitungszusteller waren die Lohnabrechnungen für Januar ein Grund zum Feiern. „Bei uns hatten einige ein Grinsen im Gesicht“, berichtet ein Beschäftigter der Berliner Zustell- und Vertriebsgesellschaft (BZV). „Wegen des Mindestlohns haben manche 10, 15 Prozent mehr – nach zehn Jahren ohne jegliche Gehaltverbesserung ist das schon was.“ Doch bei der Umrechnung von Stück- in Stundenlöhne gibt es vielerorts Probleme.
    Bei der BZV haben die Beschäftigten neue Arbeitsverträge bekommen – je nach Tätigkeit mit umgerechneten Stundenlöhnen von 6,38 oder 8,50 Euro. Erstere werden wie gesetzlich vorgeschrieben bis 2017 auf 8,50 Euro erhöht – allerdings teilweise kompensiert mit verringerten Nacht- und Sonntagszuschlägen. Einen Betriebsrat, der das verhindern könnte, gibt es im Unternehmen nicht. Das führt auch dazu, dass sich die Zusteller einzeln mit dem Arbeitgeber auseinandersetzen müssen, wenn die Soll-Zeiten für ihre Touren unrealistisch sind.
    Die „GPS-gestützte Wegeoptimierung“ – mit der die Zeitvorgaben scheinbar objektiv errechnet werden – führt in vielen Zustellbetrieben dazu, dass der Mindestlohn de facto unterlaufen wird. So berichtete das ARD-Morgenmagazin kürzlich von einem Zusteller in Neuenhagen bei Berlin, der für eine bislang dreistündige Tour lediglich 0,48 Stunden bezahlt bekam. Im Blog www.zeitungszusteller-bremen.de schreibt ein Kollege: „In meiner ersten Abrechnung wurden 38,43 Stunden angerechnet, gebraucht habe ich aber 66,30 Stunden.“
    Ein anderer kritisiert, seine Gehaltsabrechnung stimme „hinten und vorne nicht. Komplett falsche Arbeitszeiten, obwohl von mir die benötigte gemeldet wurde.“ Es sei kein Wunder, dass beim Weser-Kurier immer mehr Zustellbezirke nicht besetzt werden könnten. „Leute, ihr hattet lange genug Zeit, um euch auf den Mindestlohn vorzubereiten! Oder werden die Abrechnungen neuerdings in Bangladesch zu 1,50 Euro pro Stunde erstellt?“ Bei der Südwest Presse in Ulm dasselbe Bild: Hier berichten Betriebsräte von einer Zustellerin, die bisher 350 Euro im Monat verdiente. Nach der Umstellung von Stück- auf Zeitlohn waren es noch 200 Euro.
    Doch die „Kreativität“ der Unternehmen beschränkt sich nicht auf falsche Zeitvorgaben. Der Spiegel berichtete kürzlich von einem Schreiben der Bauer-Vertriebssparte BPN an seine Partnerfirmen. Eine der Empfehlungen: Ältere Zusteller könnten ihren Arbeitsvertrag auf die Enkel übertragen – die als Minderjährige vom Mindestlohn ausgenommen sind.
    Widerstand gegen solche Machenschaften ist möglich – zumindest dort, wo es Betriebsräte gibt. Das zeigt der Fall der NW Logistik in Bielefeld. Dort zog die Beschäftigtenvertretung gegen einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers vor Gericht – und erreichte damit, dass sich die Bezahlung für die Verteilung des Anzeigenblatts Mein Samstag um das Dreifache erhöht.
    Daniel Behruzi


    -DGB-Mindestlohn-Hotline (bis 31.März): 0391/4088003 (zum Festnetztarif)