Bezahlung verdreifacht
Auch bei der NW-Mediengruppe in Bielefeld sorgt die Umsetzung des Mindestlohns für Konflikte. Noch während Betriebsrat und Geschäftsleitung zum Thema verhandelten, gründete das Unternehmen heimlich drei neue Zustellgesellschaften. Seither werden Beschäftigte genötigt, in die neuen Firmen zu wechseln. Dort wurden auch gleich Betriebsratswahlen durchgeführt – ohne die zuständige Gewerkschaft ver.di auch nur zu informieren.
Das Ziel ist offensichtlich, die vor 2004 eingestellten Beschäftigten loszuwerden, die zu vergleichsweise guten Konditionen arbeiten. Der Betriebsrat der NW Logistik – der in den vergangenen Jahren viele Verbesserungen durchgesetzt hat und bei der Umsetzung des Mindestlohns auf angemessenen Zeitvorgaben besteht – würde bei späterer Insolvenz der Altgesellschaft mit „entsorgt“ werden. Das wollen sich die Gewerkschafter nicht gefallen lassen. Sie halten mit öffentlichen Protestaktionen dagegen – etwa am 28. Februar in der Bielefelder Innenstadt. DRUCK+PAPIER sprach mit Dietmar Hölscher, Betriebsrat der NW Logistik.
DRUCK+PAPIER: Die NW-Mediengruppe will in den neuen Zustellgesellschaften den Mindestlohn von 8,50 Euro zahlen. Warum ratet ihr den Kolleginnen und Kollegen dennoch von einem Wechsel ab?
Die 40 Prozent Beschäftigten mit sogenannten Altverträgen wären deutlich schlechter dran. Und auch die nach 2004 Eingestellten – deren Entgelte um 20 Prozent niedriger liegen – würden nur auf den ersten Blick vom Wechsel in die neuen Gesellschaften profitieren, da sie eine Vielzahl von Rechten und ihr Weihnachtsgeld verlieren.
DRUCK+PAPIER: Die Neue Westfälische gehört zu 57,5 Prozent der SPD-Medienholding ddvg.
In der Tat. Es ist schon bemerkenswert, dass dennoch nicht einmal die Grundwerte gelten, die die Sozialdemokratie für sich reklamiert. Zum Beispiel gibt es keinen Tarifvertrag.
DRUCK+PAPIER: Der Betriebsrat der NW Logistik hat Strafanzeige wegen Behinderung von Betriebsratsarbeit gestellt. Warum?
Wir vertreten etwa 1.100 Zusteller in ganz Ostwestfalen, mit denen wir nur schriftlich in Kontakt treten können. Wir haben sie in einem Schreiben dazu aufgefordert, zu niedrigen Soll-Arbeitszeiten zu widersprechen. Der Arbeitgeber hat die Auslieferung dieses Briefs gestoppt, mit der unsinnigen Behauptung, damit würden wir den Betriebsfrieden gefährden. Deshalb und wegen anderer Vorfälle haben wir Anzeige erstattet.
DRUCK+PAPIER: Der Betriebsrat hat erreicht, dass die Verteilung des Anzeigenblatts Mein Samstag deutlich besser bezahlt wird als ursprünglich vorgesehen. Wie habt ihr das geschafft?
Das Unternehmen hat unsere Mitbestimmungsrechte bei der Einführung des neuen Anzeigenblatts komplett ignoriert. Der Mindestlohn von 6,38 Euro pro Stunde, zu dem wir es austragen sollten, war völlig unzureichend. Dagegen haben wir eine einstweilige Verfügung beantragt, die in einem Vergleich endete: Bis eine endgültige Einigung zum Thema erzielt ist, müssen 5,5 Cent pro Exemplar gezahlt werden – etwa das Dreifache der bisherigen Bezahlung. Das zeigt: Widerstand lohnt sich.
-dab