Betriebsräteseminar Oktober 2022 in Gladenbach

Aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen zu Kommunikationsmitteln, Arbeitskleidung und Ausstattung für die ZeitungszustellerInnen Seminar für Betriebsratsmitglieder und Mitglieder von Schwerbehindertenvertretungen aus Betrieben und Betriebsteilen der Zeitungszustellung

Bericht über das Zustellerseminar II 2022 vom 9. bis 14. Oktober 2022 in Gladenbach

Seminarplan:

- Begrüßung und Verabredungen zum Seminarablauf, zu Inhalten und Arbeitsweisen
Erfahrungs- und Praxisberichte der Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen über die aktuelle betriebliche Situation im
Hinblick auf die Seminarthemen
- Aktuelle Daten zur wirtschaftlichen Lage und Entwicklung der Zeitungsverlage und -zustellgesellschaften
- Zustellerportale als Kommunikationsmedium für Personaleinsatz, Arbeitszeitdokumentation und Lohnabrechnung systemtechnische Lösungen
- Rechtsgrundlagen betriebliche Erfahrungen, Regelungsbedarf
- Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Rahmen von § 87.1 (1), (2), (6), (10) BetrVG
- Lohnabrechnungen in der Zeitungszustellung Beispiele flexibler und transparenter Abrechnungen
- Lösungen zur Berücksichtigung besonderer betrieblicher oder persönlicher Umstände
- Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung
- Rechtsgrundlagen und neuere Rechtsprechung zur Beschäftigung Schwerbehinderter in der Zeitungszustellung
- Organisation und Aufgaben der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen
- Aufgaben des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung in der Zusammenarbeit mit den Ämtern
- Arbeitskleidung und -schuhe, Sicherheitsausrüstung, Transport- und Verkehrsmittel in der Zeitungszustellung
- aktuelle Erkenntnisse der Berufsgenossenschaften zu Unfallhäufigkeit und typischen - Unfallursachen in der Zeitungszustellung
- Überblick über aktuelle Entwicklungen und Angebote zu Kleidung und Ausstattung
- Beispiele betrieblicher Lösungen der Zurverfügungstellung oder Kostenübernahme
- aktuelle Verordnungen, Empfehlungen und Betriebsvereinbarungen
- Zusammenfassung der Seminarergebnisse, Vereinbarungen zur betrieblichen Umsetzung und Seminarabschluss

Sonntag, 9. Oktober
Ankunft der Seminarteilnehmer im BIZ Gladenbach.

Das Seminar findet in der Freizeithalle statt, da 32 Teilnehmer anwesend sind.
Sie ist hell und geräumig. Zudem gibt es einen direkten Zugang zum Garten.
Außerdem sind wir gut abgeschirmt von anderen Seminaren.
Auf Wunsch einiger Teilnehmer stellen wir die Tische zum Karree auf. Das bringt nicht den gewünschten Effekt, auch in der letzten Reihe besser gehört zu werden – war zu erwarten war.

Montag, 10. Oktober
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ergreift Jan Schulze-Husmann, ver.di-Berlin, das Wort.
Er stellt sich vor und berichtet aus dem aktuellen Tagesgeschäft der ver.di. Anschließend ist Zeit, um Fragen zu stellen.
BAG-Urteil vom 13. September 2022 zur Arbeitszeiterfassung -1 ABR 22/21 :
Das Urteil liegt noch nicht im Volltext vor.
Ergebnis des Urteils: Eine gesetzliche Vorgabe zur Arbeitszeiterfassung besteht bereits. Diese muss umgesetzt werden. Auf welche Weise muss vor Ort entschieden werden.
Presseförderung an die Verlage:
Die Bundesregierung hat eine finanzielle Förderung der Verlage geplant.
Verdi hat Kontakt zu Wirtschaftsministerium aufgenommen – „nächste Jahr mit zu rechnen“.
Vor ca. zwei Jahren wurden 220 Mio. € nicht ausgeschüttet, da sich die Verlage nicht einig wurden.
Unter diesem Link ist eine Stellungnahme des Bundesrats nachzulesen.
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0301-0400/309-22(B).pdf;jsessionid=7F8E5A289B2DE9A114107588B3DEBB6F.2_cid391?__blob=publicationFile&v=1

Corona:
Siehe Internetseite Verdi – Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz:
FAQs rund um Corona – ver.di (verdi.de)

Fragen der Teilnehmer an Jan Schulze-Husmann:

Arbeitszeiterfassung

Siehe Verdi: „Die Relevanz der Entscheidung für Betriebs- und Personalräte ergibt sich zum Einen aus der allgemeinen Überwachungspflicht (§ 80 Abs. 1 S. 1 BetrVG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG bzw. entsprechende Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze), zum Anderen aus dem Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Art und Anwendung des jeweiligen Zeiterfassungssystems (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 6 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 1, 15 und 17 BPersVG (bzw. entsprechende Vorschriften der Landespersonalvertretungsgesetze).“
Siehe auch „Gute Arbeit“: hier wird das Thema aufbereitet
Empfehlung von Jan: BV Arbeitszeiterfassung, da Mitbestimmung

Bundesurlaubsgesetze

Vorschlag: Änderung der Bundesurlaubsgesetze durch Verdi initiiert

Kilometergeld

Vorschlag: Anpassung des Kilometergeldes auf Bundesebene durch Verdi anstoßen
Km-Geld für Fahrradfahrer 14 ct/km? -> angeblich durch Verdi-Anwälte durchgesetzt
Km-Geld für Fußgänger?

Mindestlohn

Unterschreitung durch Zahlen von Kilometergeld ist nicht zulässig

Datenschutz

Arbeitgeber ist verantwortlich, nicht der Betriebsrat
=> klare Anweisung wie der Müll zu entsorgen ist, ansonsten drohen Geldstrafen
=> wenn klare Richtlinien bestehen, zahlt der Zusteller bei Verstößen die Strafe
Arbeitsmittel
die Nutzung ist zu Regeln § 87 (1) 10. BetrVG => BV aushandeln

Arbeitsmittel

die Nutzung ist zu Regeln § 87 (1) 10. BetrVG => BV aushandeln

Berichte der Zusteller

19 Unternehmen sind in diesem Seminar vertreten. Ein bis drei Vertreter des Betriebsrats oder der SBV sind anwesend.
Es gibt Unternehmen, die einem Konzern angehören. Erstaunlicherweise sind die Bedingungen für die Zustellern sehr unterschiedlich, je nachdem wie lange es dort einen Betriebsrat gibt bzw. wie aktiv dieser ist. Da werden unterschiedliche Km-Geld-Höhen gezahlt oder Urlaubstage (24 bis über 30 Tage) bewilligt.
Betriebsräte aus folgenden Städten sind anwesend:
Krefeld, Bottrop, Rosenheim, Nürnberg, Gladbeck, Bielefeld, Köln, Hagen, Düsseldorf, Münster, Augsburg, Kärnten/Allgäu, Braunschweig, Unna, Esslingen, Paderborn, Dresden, Karlsruhe
Unterschiede bestehen auch in der Zustellung: Zeitungen/Zeitschriften etc., plus Post – in der Nacht und am Tag -, plus Pakete – tagsüber bis abends.
Erstaunlich ist, dass die Postzusteller, die tagsüber arbeiten meist besser ausgerüstet sind als die Nachtzusteller, unabhängig vom Zustellobjekt.
Zurzeit gibt es verschiedene Modelle, einen Inflationsausgleich zu „zahlen“. Manche Zusteller bekommen Tankgutscheine bis 50 €/Monat, manche gehen leer aus.
Die anwesenden Betriebsräte vertreten von unter 100 bis über 2.000 Zusteller. Entsprechend groß sind die Betriebsräte. Es gibt Städte-Unternehmen und solche, die Teile eines Bundeslandes abdecken.
Die Ausstattung reicht von Zeitungskarre bis Paxter.
Das zu Anfang angesprochene Thema Arbeitszeiterfassung könnte nicht kontroverser sein:
Eine optimale Lösung wäre eine App zur reinen Zeiterfassung ohne GPS. Leider gibt es bisher nur einen Betrieb, der dies praktiziert: mit einer selbst entwickelten APP.
Da Arbeitszeiterfassung der heikelste Bereich in der Zustellung ist, wird dies ausführlich diskutiert. Davon abhängig ist die Bezahlung der Zusteller. Leider ist bei den meisten Geschäftsführern das Misstrauen gegenüber den ZustellerInnen und deren Angaben zur Arbeitszeit deutlich zu spüren. Die Interessenvertreter kämpfen wie Don Quijote gegen die Windmühlen, um diese Einstellung zu ändern und ihren Kollegen beizustehen.

Es kommen im Laufe der Berichte immer neue Fragen, die erörtert werden. Die Anwesenden informieren sich gegenseitig, welche Möglichkeiten es gibt.
Die beiden Referenten Thomas und Josef sind immer hilfreich aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung. Bei Fragen, die weitreichender sind, stehen sie jederzeit zur Verfügung und stärken die Ansichten der Betriebsräte, ihre Rechte und die der Arbeitnehmer zu wahren und durchzusetzen.
Eine dringende Frage der Betriebsräte ist die Behandlung der 11-Stunden-Regel, sprich Ruhezeit; damit verbunden ist die ständige Frage: ist BR-Arbeit Arbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.
Zum einen ist BR-Arbeit ein Ehrenamt und keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Sie wird wie Arbeitszeit bezüglich Bezahlung behandelt – s. u. Die 11-Stunden-Regel betrifft weitere Bereiche: Hat das BR-Mitglied eine weitere Beschäftigung oder findet die BR-Arbeit während der regulären Arbeitszeit statt. Das führt oft dazu, dass eine Ruhepause nicht eingehalten werden kann, wenn tagsüber BR-Sitzungen stattfinden.
BR-Arbeit hat während der Arbeitszeit stattzufinden; deshalb wird sie bezahlt.

Dienstag, 11. Oktober

Die BG ETEM wird durch Ralf Bezdek vertreten, zuständig für Berlin.

50 % der Unfälle betreffen die Zusteller
Die BG ETEM (200.000 Zusteller) und BGHW (60.000 Zusteller) vertreten Zusteller; ein Wechsel der Unternehmen zu einer anderen BG ist nicht möglich
48 Mio. Arbeitnehmer in 4 Mio. Unternehmen werden von 9 BG vertreten
Prävention ist DAS Thema
Aufgaben der BG: Verhüten von Arbeitsunfällen, Gesundheit und Leistungsfähigkeit mit allen geeigneten Mitteln wiederherstellen, Geldleistungen für Hinterbliebene, Rente bei Dauerschäden, Übernahme der Haftung der AG durch Mitgliedsbeitrag
BG verwaltet sich selbst durch Vorstand und Vertreterversammlung: paritätische Mitbestimmung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern
Essensaufnahme/Toilettengang sind nicht versichert; der Weg dahin ja
Brille = Körperersatzstück -> versichert
Wegeunfall: der kürzeste Weg von der Wohnung bis zur Arbeitsstätte
0 % des letzten Arbeitslohns: Haupt- und Nebenjob zusammengenommen
Freiwilliger Anspruch auf Jacken, Schuhe etc. der Unternehmen für die Zusteller wurde abgelehnt
Zusteller sind in einer eigenen Gefahrenklasse
Bei weniger Unfällen wird den Unternehmen ein Beitragsnachlass gewährt
Aufteilung Zusteller: 203.670 in Teilzeit, 48.734 in Vollzeit
Bei psychischen Schaden nach Arbeitsunfall -> BG melden -> Traumahilfe greift ein

Thema Schuhe für Zusteller – Tipps der Anwesenden

Profil, das über Hacke und Fußspitze geht
Trailrunning-Schuhe: Trailrunning-Schuhe: Details und Unterschiede (alpin.de)
SRC-Standard = Sicherheitsstandard, welcher die Rutschfestigkeit der Arbeitsschuhe beschreibt; SRC ist der höchste Standard
Gleitschutzketten/Spikes – besonders an der Hacke
Video: „Sicherheit in der Zustellung“ -> siehe Aktionsmedien bei der BG ETEM
Arbeitsschuhe ausreichend; keine Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe notwendig

Mittwoch, 12. Oktober

Nachtrag zum Bericht der BG ETEM:

Kind -> Zustellerjacke plus Futter -> siehe Internet Verdi Zeitungszusteller -> ab 100 Stück à 79 € -> Kontakt mit Firma aufnehmen; steht nicht in der normalen Liste -> nicht mit Weichspüler waschen
Leichte Regenjacke von Kind bis 80.000 mmHg wasserdicht
Ökoflitzer -> E-Trolley
E-Trolley 7 + 1 von Kyburz
Pendix -> Umbau von Lastenrädern in Elektroräder -> günstiger als Pedelecs
Eigener Fahrradreparatur-Service in einem anwesenden Unternehmen

Berichte der Zusteller:

Verschleiß etc. an Autos => Kostenvoranschlag und Fahrtenbuch mind. ein Jahr lang führen
Unternehmensrichtlinie -> Code of Conduct -> respektvoller Umgang
Postschuhe -> nur für die Postzusteller erhältlich -> BG sollte aktiv werden, um diese zu bekommen
Jobcenter bewilligt nur 20 ct pro km, der Rest wird als Einkommen gerechnet

Sozialrecht – Harry Linhart

MdE = Minderung der Erwerbsfähigkeit = Berechnung der Minderung durch BG nach ArbUnfall => Unfallrente wird dementsprechend gezahlt
GdB = Grad der Behinderung; keine Prozentangabe
Regelsätze: RB 1 bis 4 – RB 1 = Einzelperson; RB 2 = Ehepaar, pro Person …
Strom mit drin
Gas etc. gehört zur Unterkunft
Krankenversicherungspflicht -> lückenlos, sonst Nachzahlung -> wenn keine Nachzahlung erfolgt, ist man nur notfallversichert

Minijob – Harry Linhart

Nachtzuschlag bei AU und Urlaub nicht steuerfrei
Nur Krankheitsvertretung ist ungeplant -> dann Überschreitung der 520 € möglich
Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung -> bei Unterwanderung Mindestlohn
§ 14 SGB I Beratungspflicht (der Betroffenen durch die Ämter)
§ 14 SGB II Beratungspflicht und Förderungspflicht (der Betroffenen durch die Ämter)
nur schriftliche Bescheide sind rechtsfähig, keine mündlichen Ablehnungen
Schwerbehinderten-Antrag: Wechselwirkungen zw. Beeinträchtigungen möglich

Donnerstag, 13.Oktober

Wie in jedem Seminar wurde ausführlich über die wirtschaftliche Lage der Zeitungen und der Zeitungszustellgesellschaften wie Auflagenentwicklung, Umsätze, Digitalisierung informiert und diskutiert. Besondere Bedeutung hat dabei die aktuelle Inflations- und Konjunkturentwicklung, die die Zeitungsverlage und ihren Zustellgesellschaften ebenso wie die Zustellerinnen und Zusteller vor erhebliche Probleme stellt, insbesondere dann, wenn die Zustellung mit eigenem Pkw erfolgt, wofür die steuerfreie Kilometerpauschale (wenn sie denn überhaupt in vollen Höhe gezahlt wird) noch weniger ausreicht als in der Vergangenheit.
Außerdem wurden wie immer aktuelle arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen der Teilnehmenden diskutiert und beantwortet.

Freitag, 14.Oktober

Zustellerportal

Novoblox von Datomino
App Klenksoftware -> MultiRoadGo -> ArbZeitErfassung
Sabris – Gebietsleitercockpit: versch. Module z. B. Verwaltung der Mitarbeiter

Nächste Seminare in 2023

Walsrode – 11. bis 16. Juni 2023 -> Lohnabrechnungen mitbringen
Gladenbach – 12. bis 17. November 2023

Urlaubstage
Minijobzentrale.de -> Rechner: welcher Anspruch besteht bei wieviel Arbeitstagen

Pandemie-Regelung(en)

BR-Sitzung - § 30 BetrVG -> Video- und Telefonsitzungen möglich
Betriebsversammlung -> auch virtuell -> bis April 2023

Ruhezeiten = 11-Stunden-Regel s. o.
Regelung mit AG möglich

Förderung durch Bundesregierung

Prof. Dr. Weberling – wäre für die Zustellung möglich, wenn keine Einflussnahme auf die redaktionelle Tätigkeit stattfindet
Einsparungen durch Homeoffice, Teams Sitzung etc.

Themen für Walsrode